Der Hintergrund

Wer weiß schon, dass der Terminus „Betriebsärzte“ 1936 von Dr. Friedrich Bartels etabliert wurde, stellvertretender Reichsärzteführer und zweiter Mann im Hauptamt für Volksgesundheit der NSDAP ? Zu einem Zeitpunkt, als leistungsfähige Arbeitskräfte benötigt wurden, hoffte der neue Staat mit „verstärkter Tätigkeit auf dem Gebiet der gesundheitlichen Menschenführung“, verkürzt auf den Begriff der „Gesundheitsführung“ Menschen arbeitsfähig zu erhalten.

Dies konnten nur entsprechend trainierte Ärzte, die fest auf dem Boden der nationalsozialistischen Lehre standen. So mussten die „neuen Betriebsärzte“ Mitglieder des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes sein. Den etablierten staatlichen Gewerbeärzten, den Arbeitsmedizinern und Werksärzten bisheriger Provenienz sollte durch die „neuen Betriebsärzte“ keine Konkurrenz erwachsen. Ihre Aufgabe war es, vorbeugende, präventive Maßnahmen zu etablieren um die Zeitspanne der vollen Leistungsfähigkeit weiter anzuheben.

Zum Thema haben sich Prof. Dr. Heiner Fangerau und Dr. Thorsten Halling (Universität Ulm) wie folgt geäußert:

„Für eine Betrachtung der Betriebsärzte im Nationalsozialismus ist von besonderer Bedeutung, dass die nationalsozialistische Gesundheitspolitik zum einen mit einer massiven Ausweitung der arbeitsmedizinischen Forschung und zum anderen mit der Etablierung von hauptamtlichen Betriebsärzten in den Unternehmen einherging. Die Einführung der betrieblichen Arbeits- und Leistungsmedizin gilt daher auch als ein wirkungsgeschichtlich bedeutsamer Bereich dieser Politik.

Während zur Arbeitsmedizin als Forschungsfeld bereits einige wissenschaftshistorische Studien vorliegen, wurde die Fachgenese der Betriebsmedizin bisher nur skizziert. In diesem Zusammenhang wichtige Desiderate der Forschung sind:

– die Professionalisierung und konkrete Ausgestaltung der betriebsärztlichen Tätigkeit (z.B. Fachsprache, Arbeitschwerpunkte, gesetzliche Grundlagen, ethische Konflikte), in
Abgrenzung zur traditionellen Gewerbehygiene, aber auch zur arbeitsmedizinischen
Forschung während des Nationalsozialismus (etwa durch die DAF)

– die Rolle der Betriebsmedizin in der Betreuung/Ausbeutung(?) von deutschen Arbeitern und (ausländischen) Zwangsarbeitern (bisher vor allem von der medizinhistorischen Forschung in der damaligen DDR bearbeitet).

– die Verdrängung und Vertreibung jüdischer Kollegen und das Gedächtnis an diese

Ferner muss die Entwicklung nach 1945 in Hinblick auf Kontinuitäten und Brüche mit in den Blick genommen werden.“